Tipp 9: Nutze wissenschaftliche Literatur [10 Tipps]

Wenn du deine Bachelorarbeit schreibst, wirst du nicht darum herum­kommen, dich mit der wissenschaftlichen Literatur zu deinem Thema zu beschäftigen. Das kann auf den ersten Blick ziemlich einschüchternd wirken, weil es zu jedem Thema unendlich viel solcher Literatur gibt. Und weil die vielleicht auch nicht immer so einfach zu verstehen ist. Wenn du dir aber bewusst machst, welchem Zweck die Literatur dient, dann kannst du dir viele Dinge selbst erschließen.

Nutze Literatur als Gesprächspartner, nicht als Lexikon

Beim Lesen wissenschaftlicher Texte geht es nicht darum, dass du irgendwo in einem Buch die eine richtige Antwort auf deine Frage findest. Die Literatur fungiert nicht wie ein Lexikon, in dem du nur den richtigen Band und die richtige Seite finden musst, und dann steht da die eine richtige Antwort, die du nur noch wiedergeben muss. Stattdessen geht es darum, dass DU auf der Grundlage der verschiedenen Quellen eine eigene Position in Reaktion auf deine Fragestellung herausarbeitest und begründest (vgl. Tipp 1).

Deswegen sollte deine Arbeit auch nicht in erster Linie daraus bestehen, dass du unterschiedliche Quellen sammelst, diese zusammen­fasst und schließlich eine Antwort auf deine Frage gibst. Stattdessen solltest du andere Autorinnen und ihre Positionen in ein Gespräch miteinander bringen, dass du moderierst. Du verantwortest den roten Faden der Arbeit und greifst an den relevanten Stellen die fremden Ideen auf. Du diskutierst sie, ordnest sie ein und kommst so schließlich zu einer eigenen Position.

Als Teil dieser großen Diskussion bist du natürlich nicht so dreist zu behaupten, dir alle Argumente selbst ausgedacht zu haben. Sondern du sagst, wenn dich jemand anders auf eine Idee gebracht hat oder du weist darauf hin, wenn jemand anders eine ähnliche Idee hatte, an der du aber eine Sache anpassen musstest, damit sie auf deinen Fall anwendbar ist. Das Zitieren in wissenschaftlichen Texten erfüllt genau diese Funktion.

Beispiel

Einen Ansatzpunkt, den Prozess der Strategieentwicklung zu strukturieren, bietet das Modell von Meyer[17]. Er unterscheidet dabei 3 Phasen: (Kurze und fokussierte Erläuterung der Phasen in je einem Satz).

Schulze[18] weist jedoch zurecht darauf hin, dass die zweite Phase in diesem Modell zu breit gefasst ist und schlägt vor, diese wiederum in drei Phasen aufzuteilen: (kurze Erläuterung der drei „Unter-Phasen“ in je einem Satz).

Um eine solch detaillierte Analyse vornehmen zu können, ist es jedoch nötig, (kurze Erläuterung dessen, was nötig wäre). Da diese Daten für den hier untersuchten Fall nicht vorliegen und auch nicht erhoben werden können, wird sich diese Analyse auf die drei Phasen von Meyer beschränken.

Orientiere dich in der Diskussion

Damit du auf diese Weise mit der Literatur umgehen und dich selbst in die wissenschaftliche Diskussion einbringen kannst, musst du dich am Anfang natürlich in ihr orientieren. Du musst herausfinden, welche Fragen von den Beteiligten gestellt, welche Argumente vorgebracht und welche Art von Belegen akzeptiert werden. In deinem eigenen Text musst du dich dann darauf beziehen und diese Punkte, soweit sie für deine Fragestellung relevant sind, aufgreifen.

Um diese Orientierung zu bekommen, musst du dich gerade am Anfang deiner Arbeit viel mit der Literatur zu deinem Themenfeld beschäftigen. Nach und nach findest du dann heraus, wie sich deine konkrete Frage in dieser Diskussion verortet. Du siehst, wer ähnliche Fragen stellt und welche Aspekte sie dabei beleuchten. Hier findest du dann auch Argumente und Ideen, auf die du dich in deiner eigenen Arbeit beziehen kannst, die du nutzen kannst, um deine eigene Argumentation zu entwickeln.

Nutze wissenschaftliche Quellen

Im Studium hast du in erster Linie mit Lehrbüchern gearbeitet. Diese sind darauf ausgerichtet, ein Themengebiet so aufzubereiten, dass es für eine Anfängerin besonders einfach ist, einen Überblick zu bekommen und sich die relevanten Grundlagen anzueignen. Lehrbücher sind jedoch keine wissenschaftlichen Quellen, da sie gerade die Frage nach dem „Warum?“, die in der Wissenschaft im Mittelpunkt steht meist außen vor lassen. Sie vereinfachen, um verständlicher zu sein, und genau das sollten wissenschaftliche Texte nicht tun.

Wissenschaftliche Argumente findest du stattdessen in Fachbüchern, die ausführlich mit Quellen arbeiten und eine eigene Position erarbeiten. Hier steht also vielmehr eine Frage im Mittelpunkt des Buches, als der Überblick über ein Themengebiet. Die wahrscheinlich wichtigste Quelle sind jedoch wissenschaftliche Fachartikel. Hier findet die große Diskussion, die ich schon mehrfach angesprochen habe, statt. Solche Artikel erkennst du meist ebenfalls an der intensiven Arbeit mit Quellen.

Ein weiterer wichtiger Typ von Quellen sind Fachmagazine, wie sie zum Beispiel oft von Berufsverbänden herausgegeben werden. Hier findest du einen Blick in die Praxis. Diese Artikel sind jedoch weniger als Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion gedacht – deswegen arbeiten Sie meist auch nur mit wenigen Quellen –, sondern dienen dem Austausch unter Leuten, die in diesem Bereich arbeiten. Du kannst solche Texte gerne als Quellen nutzen, aber sei dir ihrer anderen Bedeutung und Relevanz bewusst: Sie bieten einen Einblick in ein Unternehmen oder in die Position einer Person. Sie sind daher nicht automatisch übertragbar und dienen vielleicht auch in erster Linie der Selbstvermarktung des Unternehmens oder der Autorin.

Weitere relevante wissenschaftliche Quellentypen sind Beiträge in Sammelbänden, Studien von Forschungsinstituten oder Unternehmen, offizielle Statistiken, Rechtsquellen und Kommentare sowie Publikationen von Ministerien und viele andere. Es gibt kein strenges Verbot bestimmter Quellen, aber mach dir immer bewusst, welche Funktion diese Quellen haben und binde sie entsprechend in deine Arbeit ein: So haben Veröffentlichungen des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags eine andere Funktion als der Gesetzesentwurf einer Fraktion oder ein offizieller Gesetzestext. Auch die Studie einer gewerkschaftsnahen Stiftung wird eine andere Ausrichtung haben, als die eines Arbeitgeberverbandes.

Artikel aus Tageszeitungen oder Wochenmagazinen sind hingegen keine wissenschaftlichen Quellen. Du solltest sie also nicht zum Beleg heranziehen, dass bestimmte Dinge in der Wissenschaft akzeptiert oder diskutiert werden. Wenn du dich hingegen auf ein aktuelles Ereignis beziehen willst, werden journalistische Texte deine einzige mögliche Quelle sein. Du musst dann die Verbindung zu deiner wissenschaftlichen Argumentation selbst herstellen. Gleiches gilt für Unternehmenswebseiten oder Seiten, die du mehr oder weniger zufällig im Netz gefunden hast.

Lies die Literatur mit Ziel und Geschick

Du musst wissenschaftliche Texte nicht vom ersten bis zum letzten Buchstaben durchlesen. Es reicht bei den meisten Texten, wenn du dir die Aspekte aus dem Text heraussuchst, die für dich in deiner konkreten Arbeit relevant sind. Wenn du diese Texte mit einem konkreten Ziel und etwas Geschick liest, kannst du dir also eine Menge Zeit sparen. Die kannst du dann zum Beispiel für eine ausführlichere Recherche nutzen.

Wenn du einen wissenschaftlichen Text vor dir hast, verschaffe dir erstmal kurz einen ersten Eindruck: Was versprechen der Titel, das Inhalts-verzeichnis oder der Abstract, worum es in dem Text geht? An welcher Stelle könnte dir das in deiner Arbeit weiterhelfen? Welche Fragen hast du, bei denen der Text dir helfen könnte? Suche dir dann strategisch die Stellen heraus, von denen du dir den größten Nutzen erhoffst, und lies erstmal nur die. Wenn dann Dinge unklar sind, kannst du immer noch ein paar Seiten zurück oder voraus blättern.

Während du liest, solltest du dir auf jeden Fall Markierungen und Notizen in dem Text machen. Das hat zwei Funktionen: Auf der einen Seite fällt es dir so leichter, dir den Text zu erschließen und seine Argumentation nachzuvollziehen. Auf der anderen Seite wird dein zukünftiges Ich dir dankbar sein, dass es sich schneller in dem Text orientieren kann und die wichtigen Stellen wiederfindet. Markiere hier aber nur das wirklich Wichtige und das auch so kurz wie möglich.

Diese Art zu lesen, wird dir am Anfang recht schwerfallen, da du in der Diskussion zu deinem Thema noch nicht wirklich orientiert bist. Nach und nach wirst du aber merken, wie du die relevanten Aspekte schneller erkennen und in das große Ganze einordnen kannst.

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Zitiere offen, ehrlich und formal korrekt

Wenn dir jetzt klarer geworden ist, warum du überhaupt zitieren musst, wird dir das „Wie?“ wesentlich leichter fallen. Immer wenn du ein Argument vorbringst oder eine „Behauptung über die Welt“ aufstellst, belege sie und mache es deiner Leserin einfach, diesen Beleg nachzuvollziehen.

Es gibt unendliche viele Möglichkeiten, wie Quellenangaben in deinem Text aussehen können. Dabei unterscheiden sich die erwarteten Formatierungen zwischen Fächern, zwischen Studiengängen und zwischen Dozentinnen. In manchen Studiengängen gibt es Richtlinien zum Verfassen einer Abschluss­arbeit, die du auf der Webseite des Studiengangs herunterladen kannst. Wenn es solche Richtlinien gibt, solltest du dich an ihnen orientieren, wenn dir deine Prüferin nichts anderes sagt. Ansonsten gibt es weltweit standar­disierte Systeme, an die du dich anlehnen kannst. In den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ist zum Beispiel die „Harvard“-Zitationsweise weit verbreitet.

Fast jeder Zitationsstil besteht aus einer sogenannten Kurzreferenz direkt am oder im Text, die auf die konkrete Quelle hinweist. Diese Kurzreferenz soll es der Leserin ermöglichen, diese Quelle im Literaturverzeichnis zu finden. In den Naturwissenschaften gibt es daher sogar Zitationsstile, die die Quellen einfach nur durchnummerieren. In den Wirtschafts- und Sozialwissen­schaften nutzen die Kurzreferenzen immer in irgendeiner Form den Namen der Autorin und meist das Erscheinungsjahr. Dein gewählter Zitationsstil wird dir dafür ein Schema vorschlagen, an dem du dich für alle Quellen orientieren solltest.

Im Literaturverzeichnis finden sich dann alle notwendigen Angaben zu den Quellen. Das sind in den meisten Fällen:

  • immer die Namen der Autorinnen,
  • immer das Erscheinungsjahr
  • immer der Titel des Textes,
  • bei Artikeln das Buch, das Journal oder die Zeitschrift, in der der Text erschienen ist inkl. Seitenzahl des gesamten Artikels,
  • bei Büchern der Name des Verlags und/oder der Erscheinungsort,
  • bei Internetquellen die URL, unter der der Artikel zu finden ist und das Datum des letzten Aufrufs.

Welche Angaben du genau brauchst und wie diese formatiert werden sollen, findest du ebenfalls in deinen Richtlinien. Wenn ein bestimmter Quellentyp dort nicht vorgesehen ist, kannst du versuchen, einen der anderen Typen entsprechend anzupassen.

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