Tipp 2: Beantworte eine Frage [10 Tipps]


Der Dreh- und Angelpunkt jeder wissenschaftlichen Arbeit ist die Forschungsfrage. Mit ihr steht und fällt die Arbeit. Dabei ist die Forschungsfrage nicht dasselbe wie der Titel der Arbeit und sie steht auch nicht unmittelbar an ihrem Anfang. Vielmehr entwickelst du sie erst, während du dich mit der bereits bestehenden Forschung in deinem Themengebiet beschäftigst.

Du musst also herausarbeiten, wie sich deine Frage zu der großen Diskussion in dem Themenfeld verhält. An welche Beiträge schließt sie an? Von welchen grenzt sie sich ab? Auf diese Weise machst du deinen Leserinnen klar, warum diese Frage für sie interessant und relevant ist. Denk daran, du schreibst für Fachleute und nicht für Studierende im ersten Semester. Im Idealfall sollte auch deine Prüferin aus deiner Arbeit noch etwas lernen.

Wenn du eine gute Frage hast, wird es dir leichter fallen, eine Gliederung zu entwickeln und deine Suche nach relevanter Literatur zu strukturieren. Denn nur dann kannst du ganz genau wissen, welche der Aspekte für dich wirklich wichtig sind und welche nebensächlich. Und du kannst ein bisschen breiter schauen, ob es nicht auch in anderen Bereichen Literatur gibt, die dir bei deiner Frage weiterhelfen kann.

Wähle eine Frage, zu der du dir eine Position erarbeiten kannst

Eine Forschungsfrage sollte auch als Frage formuliert sein, denn nur so kannst du am Ende überprüfen, ob du wirklich eine befriedigende Antwort darauf geben kannst. Wie ich in Tipp 1 erzählt habe, geht es beim wissenschaftlichen Schreiben darum, dass du selbst eine gut begründete Position zu einer Frage entwickelst. Und das ist logischerweise deutlich einfacher, wenn du genau weißt, welche Frage das ist.

Beispiel

Nicht: „Online-Marketing im Lebensmittelsektor”
Besser: „Worin unterscheidet sich die Ansprache von Kunden von Covenience-Produkten im Alter zwischen 18 und 35 bei Instagram und Facebook?

Achte auch darauf, dass deine Forschungsfrage möglichst „objektiv“ ist. Sie sollte nicht nach einer Bewertung oder subjektiven Einschätzung verlangen, sondern eine neutrale Betrachtung des Sachverhalts ermöglichen. Einen subjektiven Begriff kannst du gut daran erkennen, dass es dir schwerfällt, ihn messbar zu machen oder theoretisch zu unterfüttern. Willst du beispielsweise über den „Erfolg” von Unternehmen schreiben, stellt sich sofort die Frage, was „Erfolg” denn heißt: Umsatz, Gewinn, Mitarbeiterzufriedenheit, Marktdurchdringung oder Markenbekanntheit?

Präzisiere deine Frage also so lange, bis sie nur noch mit Begriffen arbeitet, die messbar sind oder theoretisch definiert werden können. Das macht deine Frage nicht nur „objektiv”, sondern gibt dir auch gleich die Begriffe an die Hand, mit denen du dich ausführlicher auseinandersetzen solltest.

Beispiele

Nicht: „Sollten stationäre Einzelhändler auch einen Online-Shop einrichten?”
Besser: „Welche Chancen und Risiken bietet ein ergänzender Online-Shop für einen traditionsreichen stationären Schreibwarenhändler? ”

Nicht: „Wie kann die internationale Expansion eines mittelständischen Maschinenbauers erfolgreich sein?”
Besser: „Welche rechtlichen Hindernisse ergeben sich beim Export von Baumaschinenteilen von Deutschland nach Brasilien?”

Wenn du deine Frage so konkret und sachlich formulierst, kannst du am Ende deiner Arbeit im Fazit entsprechend eindeutig Position beziehen. Am besten übernimmst du dabei sogar die konkrete Formulierung der Frage.

Beispiel

Die größte Chance eines ergänzenden Online-Shops für den traditionsreichen stationären Schreibwarenhändler liegt in…. Dem steht jedoch das Risiko entgegen, dass….

Achte darauf, dass deine Frage nach einer Analyse verlangt

Eine Forschungsfrage sollte dich dazu bringen, einen Sachverhalt zu ana­lysieren, ihn tiefer gehend zu betrachten und zu verstehen, anstatt ihn nur zu beschreiben. Du sollst nicht nur nacherzählen, wie zum Beispiel stationäre Einzelhändler ihr Geschäft online ausweiten, sondern Einfluss­faktoren herausarbeiten, Parallelen zu anderen Ereignissen auf­zeigen oder eine theoretisch fundierte Erklärung entwickeln.

Eine gute Faustregel ist dabei, darauf zu achten, dass in deiner Forschungs­frage mindestens zwei – meist sogar drei oder vier – fachlich relevante Konzepte auftauchen und miteinander in Beziehung gesetzt werden, wie zum Beispiel:

  • Fallbeispiele: „die XY GmbH” oder „die XY-Messe“,
  • Tools und Werkzeuge: „Modellierung eines Geschäftsprozesses“ oder „Customer-Relationship-Management“,
  • theoretisch-abstrakte Modelle: „Informationsasymmetrie“ oder „Entkopplung“,
  • aktuelle Entwicklungen: „JEFTA-Freihandelsabkommen“ oder „Blockchain“,

Beispiel

Nicht: „Wie hat sich Facebook entwickelt?“
Besser: „Welchen Einfluss hat Facebook auf die Entwicklung des Werbemarkts für Kosmetik-Produkte?“

Nicht: „Customer-Relationship-Management in der XY GmbH ”
Besser: „Wie kann die Einführung eines CRM-Systems dazu beitragen, die Kundenbindung trotz sinkender Markenbindung zu erhöhen?”

Die Konzepte, die in deiner Frage auftauchen, solltest du entsprechend in deiner Arbeit vorstellen und ihre Zusammenhänge herausarbeiten.

Ordne alles deiner Frage unter

Wenn du diese Aspekte deiner Forschungsfrage berücksichtigst, wirst du merken, dass deine Frage dir bereits einen großen Teil der Struktur für deine Arbeit vorgibt. Sie zwingt dich zu einem inhaltlichen Fokus und gibt dir ein Kriterium an die Hand, nach dem du bewerten kannst, welches Material du in deine Arbeit aufnimmst: „Hilft es mir, meine Frage zu beantworten?”

Ein typisches Beispiel sind hier Kapitel, die im Kern nichts Anderes tun, als die Geschichte von XY nachzuerzählen. Frage dich hier ganz genau, wie dir dieser Abschnitt hilft, deine Frage zu beantworten. Meist kannst du den größten Teil dieser Abschnitte einfach rauslassen. Du brauchst sie nur dann, wenn du dich später wirklich auf sie beziehen willst, und dann sollte auch schon an der Stelle klar werden, welchen Aspekt du wieder aufgreifen wirst und welche Funktion er im großen Ganzen hat.

Das kann man doch auf einer Seite beantworten!

Ein guter Indikator dafür, dass du deine Frage eng genug gewählt hast, ist das Gefühl, sie doch eigentlich mit einer Seite Text beantworten zu können. Das klingt auf den ersten Blick paradox, wo du doch 40 Seiten Platz hast, doch der Kern deiner Frage sollte tatsächlich so einfach sein. Denn es braucht Platz, theoretische Bezüge herauszuarbeiten, Belege aufzuzeigen und Verbindungen herzustellen.

Deine Bachelorarbeit ist nämlich nicht eine 40-seitige Antwort auf eine Frage. Der Großteil der Arbeit zwischen Einleitung und Fazit dreht sich vielmehr darum, deine Antwort herzuleiten, zu begründen, einzuordnen und abzusichern. Du musst das „eigentliche Problem“ hinter der Frage identifizieren, es herausarbeiten und dann alle Aspekte abklopfen, die für die Beantwortung der Frage relevant sein könnten. Die Antwort selbst kommt dann im Fazit, wo du sie ja auch tatsächlich auf einer Seite oder sogar weniger zusammenfassen musst.

Achte also in deinem Fazit auch darauf, dass du tatsächlich eine Antwort auf die Frage gibst, die du in der Einleitung aufwirfst. Wenn du also nach einer „Lösung“ fragst, dann solltest du auch eine „Lösung“ präsentieren und nicht nur „Lösungsansätze“. Wenn sich im Laufe der Zeit zeigt, dass du die anfängliche Frage nicht beantworten kannst, spricht auch nichts dagegen, die Frage noch entsprechend anzupassen – also zum Beispiel „eine Lösung zu entwickeln“ umzuformulieren in „drei Lösungsansätze zu skizzieren“.

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