Tags im Museum [Wien]


Wien hat nicht nur spannende Theater, sondern auch wunderschöne Museen. Im Hinblick auf die Ausstellungen ebenso, wie im Bezug auf die Gebäude. An der Ringstraße stehen sich so unter anderem das Kunst- und das Naturhistorische Museum gegenüber. Dazwischen im Dezember ein Weihnachtsmarkt und dahinter das Museumsquartier mit mehreren kleineren Museen. Hier habe ich ebenfalls einen Tag meiner Wiener Woche verbracht, in drei nur auf den ersten Blick sehr unterschiedlichen Ausstellungen.

Wiener Moderne im Museum Leopold

Das Zeitalter der Erkenntnis von Eric Kandel

Als klar war, dass ich nach Wien fahren würde, habe ich das als Gelegenheit genutzt, ein Buch auszupacken, das ich schon seit Langem auf meiner Leseliste hatte: Das Zeitalter der Erkenntnis von Eric Kandel. Hier zeichnet er die Entwicklung der Beziehung zwischen Hirnforschung und Kunst nach und beginnt seine Reise durch das 20. Jahrhundert eben in Wien. Er zeigt dabei auf, wie der Schriftsteller Schnitzler, der Psychologe Freud und die Maler Klimt, Kokoschka und Schiele den Grundstein für diese fruchtbare Beziehung gesetzt haben. Mit ihrem Blick unter die Oberfläche des Menschen und auf seine Empfindung schufen sie das, was wir heute in der Kunst für selbstverständlich halten.

Diese Perspektive fand ich äußerst spannend und konnte es mir dann natürlich nicht entgehen lassen, gerade die Arbeiten der Maler im Original zu sehen. Erster Anlaufpunkt dafür ist das Museum Leopold im Museumsquartier, das nach eigener Aussage über die größte Sammlung von Bildern aus der Wiener Moderne verfügt. Glücklicherweise wurde es auch gerade am Tag meines Besuchs nach einer einmonatigen Umbaupause wiedereröffnet und dann auch gleich mit zwei thematisch interessanten Ausstellungen: Klimt – Moser – Gerstel und Egon Schiele – Reloaded!

Außer der Lektüre des Kandel-Buches hatte ich wenig Vorwissen über die Zeit und die Künstler, aber glücklicherweise hat das Museum einen äußerst gelungen Audioguide. Ohnehin ist für mich der Audioguide eine absolute Grundvoraussetzung für einen gelungenen Museumsbesuch – so viel angenehmer und meist informativer als endlose Informationstafeln.

Richard Gerstl: Uferstraße bei Gmunden (Bild: Leopold Museum, Wien)

Den Anfang der ersten Ausstellungen machen die Bilder von Richard Gerstl an denen der Übergang zwischen dem klassisch-figürlichen und dem expressionistischen Malen besonders deutlich wird. Von der reinen Abbildung des Sichtbaren bewegt er sich immer mehr dazu, Stimmungen, Empfindungen und Atmosphären auszudrücken und sich dabei immer mehr, aber nie endgültig, von der Figürlichkeit zu lösen.

Zwei Räume weiter hängt dann endlich Klimt. Und zwar dankenswerterweise keine Bilder seiner mittlerweile überkitschten goldenen Phase (z.B. Der Kuss), sondern unter anderem eine kleine Miniatur, die seine fast fotorealistische Maltechnik zeigt. Diese steht allerdings im Kontrast zu seinem eigentlichen Hauptwerk: dem eindrucksvollen Der Tod und das Leben sowie den leider nur noch in Schwarz-Weiß-Fotografien erhaltenen revolutionären Fakultätsgemälden, mit denen er damals die Wiener Universität aufmischte. So bildete er beispielsweise die Philosophie über gequälte Seelen ab und band den Tod in die Darstellung der Medizin ein. Die Bilder sorgten für einen entsprechenden Aufruhr und wurden nur kurzzeitig ausgestellt, bevor sie im Zweiten Weltkrieg verbrannten. Leider ist von diesem Klimt im restlichen Wien wenig zu sehen, dafür umso mehr von Kuss, Judith und Adele Bloch-Bauer.

Gustav Klimt: Tod und Leben (Bild: Leopold Museum, Wien)

Während Klimt es schafft, seinen revolutionären Blick mit Gefälligkeit zu verbinden, schwindet diese in den verstörenden Figuren- und Selbstbildnissen von Egon Schiele, die eine Etage tiefer zu sehen sind. Diese drücken die Zerbrechlichkeit des menschlichen Körpers ebenso aus, wie dessen Vergehen und mehr oder weniger unterdrückte Leidenschaften. Neu und noch faszinierender für mich waren hingegen seine Bilder der Heimatstadt seiner Mutter Český Krumlov (ehem. Krumau). Diese erinnern teilweise an bunte Kinderbuchillustrationen, tragen aber auch die dunkle Seite der Welt in sich.

Alle Künstler in diesen beiden Ausstellungen haben gemeinsam, dass sie nicht mehr in erster Linie Figuren, Geschichten oder Ideale abbilden, sondern Emotionen und Empfindungen. Sie sind nicht mehr in erster Linie technisch, sondern auf den individuellen Ausdruck des Künstlers bezogen. Expressiv eben.

Egon Schiele: Der Häuserbogen (Bild: Leopold Museum, Wien)

Museum in der Waschmaschine: Wes Anderson und Juman Malouf

So revolutionär die im Museum Leopold ausgestellten Kunstwerke in ihrer Zeit auch waren, ihre Präsentation ist durchaus gelungen, aber sehr klassisch. Genau umgekehrt geht es gerade in einem Saal des renommierten Kunsthistorischen Museums in Wien zu. Hier war die kleine Ausstellung „Spitzmaus Mummy in a Coffin and other Treasures“ mein Ziel, in der klassische Ausstellungsstücke auf für die heutige Zeit revolutionäre Weise präsentiert werden. Und dagegen können Gemäldegalerie und Antikensammlung einpacken.

Schon beim Betreten des einen Saal, der die Ausstellung beherbergt wird klar, dass das hier anders ist als „normale“ Museen. Der Blick fällt sofort auf eine Reihe überlebensgroßer Portraits vollständig behaarter Menschen. Dagegen wirkt das kleine Bild direkt links neben der Tür etwas verschämt, auch wenn es das Motto dieser Ausstellung perfekt zusammenfasst: ein Kuriositätenkabinett, kuratiert von Regisseur und Filmkünstler Wes Anderson und seiner Frau, der Designerin Juman Malouf.

Wenn man die Filme Andersons kennt, ist seine Handschrift auch in dieser Ausstellung nicht zu leugnen: Jeder abgetrennte kleine Raum der Ausstellung ist von der Wand bis zu den Ausstellungsstücken in einer bestimmten Farbe gehalten und schafft so die leicht entrückte und zauberhafte Atmosphäre, die auch Grand Budapest Hotel oder Moonrise Kingdom auszeichnen.

Bild: KHM-Museumsverband

Mit der Konzeption ihrer Ausstellungen drehen Anderson und Malouf mit den Worten des KHM-Kurators Jasper Sharp das klassische Museum „durch die Waschmaschine“. Anstatt sich von akademischen kuratorischen Prinzipien wie Epoche, Sammlung oder Stil leiten zu lassen, folgen die beiden Intuition und Assoziation und kuratieren sich quer durch die umfangreichen Sammlungen der Wiener Museen. So gibt es unter anderem einen Raum zu der Farbe Grün, einen Raum zu dem Material Holz und einen zu Verpackungen und Gefäßen von Kunstwerken – passenderweise inklusive einer fest installierten leeren Vitrine als Ausstellungsstück.

Um die Ideen und Gedanken hinter der extrem inspirierenden Ausstellung zu verstehen, ist der wieder mal hervorragende Audioguide absolut unverzichtbar, da an den Wänden keinerlei Erläuterungen oder Erklärungen zu finden sind – ganz im Sinne des intuitiven Ansatzes der Ausstellung.

Der Audioguide übernimmt dabei gleich eine doppelte Funktion: Auf einer Tonspur hört man den KHM-Kurator Jasper Sharpe, wie er die Hintergründe der Ausstellung schildert und vor allem die Schwierigkeiten, die ein solches Format macht, wenn Objekte aus unterschiedlichen Sammlungen zusammen gezeigt werden: sowohl konservatorische wie verschiedene Anforderungen an Temperatur und Luftfeuchtigkeit, als auch „politische“ Konflikte zwischen unterschiedlichen Abteilungen.

Auf der zweiten Tonspur ist ein unkommentiertes und nicht übersetztes Gespräch zwischen Wes Anderson und Juman Malouf auf der einen Seite und dem Schauspieler Jason Schwartzman zu hören, während dieser die Ausstellung das erste Mal besucht. Beide Tonspuren sind dabei nicht systematisch oder großartig strukturiert, sondern ganz wie die Ausstellung assoziativ, interessant und sehr unterhaltsam.

Bild: KHM-Museumsverband

Eine absolute Katastrophe ist hingegen der Katalog zu der Ausstellung. Ich hatte mich auf tolle Fotos gefreut, die die Atmosphäre einfangen und vielleicht den einen oder anderen vertiefenden Essay über die Aspekte, die im Audioguide angesprochen wurden. Was es stattdessen gab: sterile Sammlungsfotos aller Ausstellungsgegenstände mit den grundlegenden kuratorischen Daten. Warum? So gibt es leider keine physische Erinnerung an diese absolut faszinierende Ausstellung.

Mit ihrem Vorgehen mag „Spitzmaus Mummy in a Coffin and other Treasures“ in der heutigen Museumslandschaft eine Ausnahme sein, aber eigentlich lässt sie das Museum zurück zu seinen Wurzeln gehen: dem Kuriositätenkabinett. Anderson und Malouf haben in Wien eine faszinierende und inspirierende Reise durch die Welt der Kunst und der Phantasie geschaffen, die noch bis zum 28. April 2019 zu sehen ist.

Eine Antwort

  1. […] der ganzen Freizeit in der schönen österreichischen Hauptstadt Wien war dann natürlich auch noch ein wenig Arbeit […]

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