Nerdkram-Highlights 2020


2020 war ja nun wirklich ein äußerst seltsames Jahr, das in allem irgendwie anders war als jedes Jahr zuvor. Neben der allgegenwärtigen Corona-Pandemie war bei dafür in erster Linie unser kleiner Sohn verantwortlich, der mittlerweile schon gut ein Jahr alt ist. Das ist unglaublich beglückend und faszinierend, aber eben auch immer wieder anstrengend – gerade wenn Pandemie-sei-Dank übliche Support-Strukturen wegbrechen.

So blieb 2020 trotz Lockdown und Homeoffice nur sehr wenig Zeit zum Lesen, Schauen und Spielen. Natürlich habe ich trotzdem ein paar Highlights für euch, aber die Auswahl, aus der ich diese Höhepunkte auswähle, ist deutlich kleiner.

Romane

Erstes „Opfer“ dieses Jahres war meine Lesefrequenz bei den Romanen. Statt wie sonst über 50 Romane waren es dieses Mal nur knapp 20. Darunter waren aber glücklicherweise doch einige Highlights:

An erster Stelle sind dabei zwei zweite Teile ihrer jeweiligen Reihen zu nennen: Joe Abercrombie setzt mit The Trouble with Peace (dt. Friedensklingen) seine Age of Madness-Reihe fulminant fort, in der er von der Industrialisierung eines Fantasy-Reichs erzählt und den damit verbundenen sozialen Umwälzungen. Dabei beschäftigt sich der zweite Band besonders mit der Macht und ihren Konsequenzen.

Ein ähnliches Szenario wählt Robert Jackson Bennett für seine Founders Trilogy: Hier ist es eine besondere Form der Magie, die es ermöglicht, Dinge zu manipulieren und sogar zu programmieren. Damit schafft er es im zweiten Band Shorefall tatsächlich, einen rasanten High-Tech-Thriller zu erzählen – in einer Fantasy-Welt. Der ebenso empfehlenswerte erste Band der Reihe, Foundryside , ist mittlerweile unter dem miesen Titel Der Schlüssel der Magie – Die Diebin auch auf Deutsch erschienen…

Mein drittes Genre-Highlight ist der neue Roman von Andreas Eschbach Eines Menschen Flügel. Eine Science-Fantasy-Geschichte, die ein großartiges Panorama in einer faszinierenden und bis ins letzte Detail ausgearbeiteten Welt bietet. Auch die Handlung und die thematischen Ansatzpunkte können dabei überzeugen.

Außerhalb des Genres habe ich dieses Jahr auch einige Romane gelesen, wirklich überzeugt hat mich aber nur Das Gewicht der Worte von Pascal Mercier: Ein sehr philosophischer Roman – im klassischen Sinne – über das Leben, den Tod, Neuanfang und Wandel. Allerdings durch und durch bildungsbürgerlich.

Nicht im engeren Sinne ein Roman, sondern ein sehr langer Comic ist Berlin von Jason Lutes. Wieder mal ein faszinierendes und breit gefächertes Panorama, diesmal aber vom Berlin der 1920er-Jahre. Dabei kommt die Atmosphäre der Stadt in den Zeichnungen sehr gut rüber und auch die politische Dynamik wird erschreckend deutlich.

Sachbücher

Während ich diese Highlights zusammenstelle, fällt mir auf, dass es von meinen vier Sachbuch-Highlights des Jahres nur eines in meinen Sachbuch-Podcast Zwischen zwei Deckeln geschafft hat. Seltsam, aber tatsächlich in beide Richtungen passend…

Mein erstes Highlight ist das eher kurze Büchlein Sprache und Sein der Journalistin Kübra Gümüşay. Hier zeigt sie sehr schön auf, was eine inklusive Gesellschaft ausmachen würde und warum es in Deutschland bis dahin noch ein sehr weiter Weg ist. Unterhaltsam geschrieben und dabei gleichzeitig persönlich und analytisch.

Ein noch kleineres Büchlein ist der Reclam-Band Die Vereindeutigung der Welt von Thomas Bauer. Hier argumentiert der Autor, dass unsere aktuelle Welt immer schlechter darin ist, Mehrdeutigkeit zuzulassen. Er zeigt auch auf, welche Probleme wir uns als Gesellschaft mit dieser geringen Ambiguitätstoleranz einhandeln. Ein etwas grundsätzlicherer Blick, der sich aber lohnt und über den wir in Episode 20 von Zwischen zwei Deckeln ausführlich gesprochen haben.

Thomas Bauer ist Arabist und hat seine Thesen zur Vereindeutigung der Welt auch in der Auseinandersetzung mit dem Islam entwickelt, den er im Grundsatz für wesentlich ambiguitätstoleranter hält. Um dieses Argument nachzuvollziehen und eine sträfliche Wissenslücke im Hinblick auf diese Religion zu füllen, habe ich im Anschluss Weltoffen aus Tradition von Ed Husain gelesen. Als Buch nicht immer einfach zu lesen und es verliert sich teilweise in Details, aber jetzt habe ich eine erste Idee davon bekommen, wie sehr der aktuelle Islamismus den Kern dieser Religion pervertiert. Und warum die Individualisierung maßgeblich dazu beigetragen hat.

Mein guilty pleasure in Sachen Sachbüchern sind ja Ratgeber zur Produktivität. Und im Fernsehen sind (bzw. waren) es Restaurant-Retter-Serien. Dieses Jahr habe ich daher mit Work Clean von Dan Charnas meinen absoluten guilty-pleasure-Jackpot gezogen: Er beschreibt, wie sich Organisations- und Handlungsprinzipien aus der gehobenen Gastronomie auf das allgemeine Arbeitsleben übertragen lassen. Unterhaltsam und inspirierend.

Serien

Das Serienjahr bestand in erster Linie aus unserem Star-Trek-Watchthrough. Wir sind jetzt mit Voyager durch und vollauf begeistert von der Serie und ihren Figuren. Nur das Ende kommt dann doch ein wenig plötzlich und wird der Serie leider nicht wirklich gerecht. Aktuell schauen wir uns durch die erste Staffel von Enterprise und mussten uns erstmal ein paar Folgen an das doch sehr andere Setting gewöhnen: Die Anfänge der Menschen im All, bei denen die Technologie noch viel rudimentärer ist und weit weniger zuverlässig funktioniert. Und auch die Geschichten wirken einfacher und die Figurenkonstellationen im negativen Sinne „klassischer“: Es dominieren weiße Männer. Aber das ist auf der Erde ja leider nicht ganz unrealistisch…

Im Bereich Science-Fiction hat mich zudem die vierte Staffel von The Expanse vollkommen überzeugt: Die Macher holen aus dem in meinen Augen schwächsten Roman der Serie bisher eine Menge raus, straffen die Handlungsstränge und erzeugen so eine intensive und komplexe Geschichte, die hervorragend produziert ist. Ich freue mich sehr auf Staffel fünf… (Tipp: unbedingt mit Kopfhörer anschauen!)

Außerhalb des Genres hat mich dieses Jahr in erster Linie das oft empfohlene Queen’s Gambit überzeugt: Herausragend gespielt und traumhaft produziert. Auch wenn die Handlung die eine oder andere Lücke aufweist: absolut beste Serien-Unterhaltung. (Tipp: Sucht mal nach Dudley Dursley in einer nichtmal so kleinen Rolle…)

Spiele

2020 fällt spieletechnisch in eine sehr ähnliche Kategorie wie schon 2019: große Ambitionen, kleine Spiele. Meine heiß erwarteten Highlights des Jahres waren Crusader Kings 3 und Wasteland 3. Letzteres habe ich auch tatsächlich ein paar Stunden gespielt, aber die meiste Zeit floss dann doch in „kleinere“ Spiele mit kurzen Feedback- und Belohnungszyklen.

Darunter waren in erster Linie Variationen des Rougelike oder -light-Genres: Dicey Dungeons bietet eine schöne Mischung aus Deck-Builder und Würfelspiel und greift dabei viele Spielmechaniken auf, die sich in den letzten Jahren bei Brettspielen durchgesetzt haben.

In eine ähnliche Richtung zielt Monster Train: Hier ist das Deck Building mit Elementen der strategischen Figurenplatzierung vermischt: ein bisschen Tower Defense und ein wenig Darkest Dungeon.

Etwas hektischer ging es in Dead Cells zu, einem Sidescroller, der durch knackiges Gameplay, abwechslungsreiche Waffen und die ständige „noch eine Runde“-Motivation besticht. Ganz ähnlich wirkt das isometrische Hades, nur dass das Gameplay hier einen Tacken hektischer ist, dafür aber Setting, Artdesign, Geschichte und Dialoge ganz hervorragend sind und entsprechend Spaß machen.

Ein bisschen Zeit ist außerdem in das an sich großartige aber schnell sehr komplex werdende Anno 1800 und seine DLCs geflossen. Ein kleines Highlight, bei dem ich irgendwann aber einfach nicht mehr weiter gespielt habe, war Spiritfarer. Aktuell spiele ich außerdem – für meine Verhältnisse – relativ viel Jedi: Fallen Order sowie Ori and the Will of the Wisps und plane, mal wieder bei Wastelands 3 reinzuschauen.

Sonstiges

Im Laufe des Jahres gibt es auch immer wieder faszinierendes Themen, Texte oder Podcast-Folgen, die mich über Wochen und Monate beschäftigen können. Dieses Jahr fallen mir da rückblickend besonders zwei Dinge ein:

Der ganze Themenkomplex um persönliches Wissensmanagement und das Publizieren von Texten online. Als Stichwort seien dabei nur Schlagworte wie Zettelkasten oder Digital Garden genannt. Mehr zum Zettelkasten gibt es in Episode 16 von Zwischen zwei Deckeln und zum digitalen Garten demnächst in meinem Newsletter und hier im Blog.

Wenn ich zudem ein „Medienobjekt“ benennen sollte, das mein Denken dieses Jahr am meisten beeinflusst und verändert hat, ist das dieser hervorragende zweiteilige Podcast mit Ada Palmer: Teil 1 und Teil 2. Darin spricht die Historikerin und Science-Fiction-Autorin (allein das ist schon eine geniale Kombination) über geschichtlichen Wandel, die Renaissance, verzerrte Interpretationen der Geschichte und natürlich Science-Fiction. Anhören! Sofort!

(Wer lieber lesen will, könnte mit diesem hervorragenden Essay über historischen Wandel anfangen oder mit diesem etwas kürzeren Text darüber, wie sich die Darstellung von Zensur in Romanen und Filmen auf unsere Wahrnehmung der Zensur in der „echten“ Welt auswirkt. Oder natürlich sich gleich ihrer anspruchsvollen, aber extrem lohnenswerten Romanreihe Terra Ignota widmen (Rezension zu Teil 1, Teil 2 und Teil 3)

Das war es dann aber auch mit meinen Highlights des Jahres. Ist dann doch etwas mehr geworden, als im Anfang gedacht hätte.

Macht es gut und startet noch besser in das neue Jahr! Auf dass es weniger „interessant“ werde als 2020…

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