Vor nicht ganz 10 Jahren habe ich mit der Arbeit an meiner Diss begonnen und dem Tool-Nerd in mir stellte sich die Frage nach der richtigen Literaturverwaltung. Meine Diplomarbeiten hatte ich mit Citavi verfasst, hatte da aber schon das Gefühl, an dessen Grenzen der Übersichtlichkeit gestoßen zu sein. Es wurde dann eine ziemlich wilde Kombination aus Mendeley, Citavi und einem digitalen Zettelkasten, die mich treu durch meine 5 Jahre Dissertation und 2 Jahre Projektarbeit getragen hat.
Mit dem Wechsel an die FH Bielefeld stellte sich die Frage neu, da ich jetzt Studierende unter anderem dabei unterstütze, mit ihrer Literaturverwaltung zu arbeiten und das ist – wie an den meisten Hochschulen – nunmal Citavi. Also flux die Campus-Lizenz installiert und mal nachgeschaut, was sich in den letzten Jahren so verändert hat. Dabei bin ich auf vier gute Argumente für Citavi gestoßen, tue mich aber trotzdem schwer, endgültig zurück zu wechseln.
Rein textbasierte Erstellung des Literaturverzeichnisses
Eines der besten Features von Citavi kommt dann zur Geltung, wenn man seine Texte – wie ich – nicht zwangsläufig immer in einem Textverarbeitungsprogramm á la Microsoft Word oder Libre Office Writer schreibt. Die meisten Literaturverwaltungsprogramme bieten ein Plugin für solche Programme an, mit dessen Hilfe sich dann per Klick ein Feld einfügen lässt, das einen Quellenverweis konstruiert.
So weit so gut, doch wenn man mit demselben Text häufiger das Format (z.B. von Word nach LibreOffice und zurück) wechselt oder in Markdown schreiben will, ist das leider keine Option. Dann entstehen Fehler und im schlimmsten Falle verschwinden sogar Quellennachweise. Hier bietet Citavi mit seiner {}-Notation einen entscheidenden Vorteil: Im Text muss man nur beispielsweise “{Müller 2014}” tippen um dann ganz am Ende Citavi das Dokument parsen zu lassen. Citavi erstellt dann das Literaturverzeichnis und fragt bei mehrdeutigen Kurzverweisen nach.
Diese Funktion war auch der Grund, warum Citavi Teil des Workflows für meine Diss geblieben ist: Die BibTeX-Datei aus Mendeley importieren und dann das Literaturverzeichnis erstellen.
Das Komplettpaket
Für Studierende ist Citavi besonders interessant, da es alle wichtigen Aufgaben der Literaturarbeit abbilden kann: von der Datenbankrecherche und dem formalen Erfassen vielfältiger Quellen über das Arbeiten am Text, das Erstellen von Zusammenfassungen und Exzerpten, die Strukturierung der eigenen Arbeit und schließlich auch die Aufgabenverwaltung. Alles in einer Oberfläche, die zudem in weiten Teilen auch relativ intuitiv bedienbar ist – auch wenn das nicht mehr ganz so gilt, wie in den Anfangstagen des Programms. Für studentische Arbeiten kommen zudem einige der Nachteile nicht ganz so zum Tragen, wie bei der Arbeit an einer Doktorarbeit oder im Laufe einer wissenschaftlichen Karriere.
Enge Verzahnung von PDF-Leser und Wissensmanagement
Die größte Neuerung, die Citavi erfahren hat seitdem ich es ausführlich genutzt habe ist die direkte Verwaltung von PDF-Dateien. Citavi kann seit Version 4 (glaube ich) jeder Quelle PDF-Dateien zuordnen, mit denen man dann auch direkt in der Oberfläche arbeiten kann.
Dabei beschränkt sich dieses Arbeiten nicht nur auf das Lesen und Markieren, sondern ist eng mit dem Wissensmanagement verzahnt. So können aus der geöffneten PDF heraus Zitate übertragen, Zusammenfassungen erstellt und Aufgaben der Todo-Liste hinzugefügt werden. Erstellt man Zitate auf diese Weise, kann man aus dem Wissensmanagement auch direkt an die entsprechende Stelle in der PDF-Datei springen. Die Bedienung erschließt sich hier zwar nicht immer unmittelbar, wenn man sie einmal verstanden hat, wirkt sie aber durchdacht und geht gut von der Hand.
Literatur in Gruppen einteilen
Weniger ein echtes Feature als ein Versuch, der Unübersichtlichkeit großer Literatursammlungen entgegenzuwirken, ist die Möglichkeit, Quellen in so genannte Gruppen einzuteilen, nach denen sich schnell und intuitiv filtern lässt (wenn man einmal rausgefunden hat, wie sie sich dauerhaft einblenden lassen). So lässt sich die eigene Sammlung ein wenig strukturieren und man steht nicht immer vor dem gesammelten Berg Literatur.
Umgesetzt ist das allerdings nicht – wie z.B. bei Mendley – durch eine Ordnerlogik, sondern erneut als Schlagwörter, nach denen gefiltert werden kann. Neben den im Programm auch so bezeichneten Schlagwörtern und Kategorien – die beide auch einzelnen Wissenselementen zugeordnet werden können – wirkt diese Filterlogik mit drei Dimensionen leider erneut etwas unübersichtlich. Grundsätzlich sind die Gruppen aber auf jeden Fall ein großer Schritt in die richtige Richtung.
Warum es mir trotzdem schwerfällt, mich darauf einzulassen
Trotz dieser guten Argumente ist bei Citavi nicht alles eitel Sonnenschein, denn das Programm schleppt einige Probleme mit, die auf grundlegende Design-Entscheidungen aus einer Zeit zurückgehen, in der wissenschaftliches Arbeiten weniger dynamisch war und vor allem weniger online erfolgte. Diese Probleme lassen mich in meiner Entscheidung, auch selbst wieder voll auf Citavi zu setzen, immer wieder zögern.
Programmlogik aus der Offline-Zeit
Citavi ist ein Offline-Programm alter Schule, bei dem die Anbindung der grundsätzlich offenen Online-Welt wie ein Fremdkörper wirkt. Während der Zugriff auf Fachdatenbanken fest implementiert ist und bei entsprechender technischer Umsetzung an der Hochschule problemlos funktioniert, ist beispielsweise die Synchronisation von Citavi-Projekten über mehrere Rechner hinweg nach wie vor ein (fast) ungelöstes Problem. So unterstützt Citavi offiziell keine Synchronisation mit externen Cloud-Diensten und bietet auch selbst keinen entsprechenden Dienst an. Faktisch funktioniert die Übertragung per Dropbox bei mir jedoch bislang.
Auch ansonsten bietet Citavi nur durch das Browserplugin “Picker” eine Anbindung an die große weite Online-Welt und das kann in erster Linie Quellen per ISBN in das aktuell geöffnete Projekt einlesen. Das Abspeichern eines im Browser geöffneten PDF als neue Quelle ist – zumindest in Chrome – schon nicht mehr möglich. Es gibt auch keine API und keine weiteren Möglichkeiten weitere Dienste – wie z.B. Evernote, Toodledo oder Dropbox einzubeziehen.
Desktop Only
Citavi bietet zwar, wie oben erläutert, eine hervorragende Integration von PDF-Reader und Wissensmanagement, diese gibt es allerdings nur auf dem Desktop und nicht auf mobilen Geräten (abgesehen von Windows 10, wobei hier die Bedienung nicht sonderlich touch-kompatibel wirkt). Weder für iOS noch für Android gibt es eine entsprechende Lese-App oder auch nur die Möglichkeit, auf die eigene Literaturdatenbank zuzugreifen. Da ich einen Großteil meiner Lektüre per Tablet im Zug erledige, muss ich so immer nacharbeiten und die Markierungen und Notizen manuell in meine Projekte übertragen. Immerhin habe ich – dank Dropbox, nicht Citavi – auf meinem Tablet überhaupt Zugriff auf die Texte.
Projektbasiert
Citavi basiert nach wie vor auf einer Projektlogik und versteht sich nicht als Verwaltung für ein umfassendes persönliches Archiv. Das Programm ist darauf ausgelegt, ein konkretes Schreibprojekt zu begleiten. So ist insbesondere das Wissensmanagement an die Struktur eines wissenschaftlichen Textes angelehnt. Das ist für studentische Belange, die durch Seminare und Abschlussarbeiten strukturiert sind, durchaus sinnvoll, wird allerdings hinderlich, wenn man über lange Zeit hinweg eine umfassende Wissensbasis in einem Thema aufbauen und auf dieser Grundlage zahlreiche Texte produzieren möchte. Dann arbeitet man entweder auf der Basis einer sehr unübersichtlichen großem Datei oder ist ständig damit beschäftigt, Quellen hin und her zu kopieren.
Immer noch unübersichtlich
Das bringt mich dann auch zum letzten – und zugegebenermaßen subjektivsten – Punkt. Bei großen Sammlungen mit einem breiten Themenspektrum scheint mir Citavi immer noch extrem unübersichtlich. Die oben skizzierten Gruppen bieten jetzt zwar eine weitere Möglichkeit zur Strukturierung, wirken aber eher wie ein Notnagel.
Viel praktischer fände ich es, wenn Citavi die Ausrichtung auf Projekte durch eine Ordnerstruktur innerhalb einer gespeicherten Datei ersetzen würde. Dann könnte ich beim Wechsel von “Organisationsforschung” zu “Hochschuldidaktik” einfach einen anderen Ordner im Programm auswählen und müsste nicht mühsam ein weiteres Projekt öffnen…
Trotz dieser Nachteile werde ich Citavi in den nächsten Monaten vermutlich eine Chance geben, um auch mal das wahre Potenzial des Wissensmanagements und der Verknüpfung mit den PDF-Dateien zu erkennen. Und es ist ja auch nicht so, dass andere Programme grundsätzlich besser wären: Das von mir gerade wegen seiner Übersichtlichkeit und seiner Online-Anbindung sehr geschätzte Mendeley hat zum Beispiel nur ein rudimentäres Wissensmanagement und gehört leider seit einiger Zeit zum Wissenschaftsverlag Elsevier, was jeden Freund einer offenen Wissenschaft skeptisch machen sollte…
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