Der zweite Vortrag auf der Tagung Schreiben(d) lehren, fördern und beraten in Wien war unser Vortrag zur Verzahnung von fachlichen Inhalten und Schreibdidaktik. Hier stellten meine Chefin, Prof. Dr. Vivian Carstensen, und ich unsere Arbeit an der FH Bielefeld im Rahmen des QPL-Projekts Optimierung von Studienverläufen vor. Mein erster Fachvortrag in dieser Community und entsprechend war ich vorab doch ein wenig aufgeregt.
Ausgangspunkt unseres Vortrags war die Überlegung, dass Schreibkompetenz gerne als fachübergreifende Schlüsselkompetenz verstanden wird. Gleichzeitig häufen sich aber die Hinweise darauf, dass derartige Kompetenzen nicht von den damit zu bearbeitenden Inhalten zu trennen sind. Gerade das wissenschaftliche Schreiben ist doch sehr von der konkreten Fachcommunity und deren Konstruktion von Wissen abhängig. Damit ist es abseits von den allgemeinen Regeln guter Sprache schwer, fachübergreifend zu vermitteln. Unser Ziel war es nun, beide Dimensionen in einem Modul zusammen zu bearbeiten.
Es fehlt ein Grundverständnis für wissenschaftliches Denken und Arbeiten
Dabei stehen wir an der Fachhochschule vor dem Problem, dass Studierende auch in späteren Semestern wenig Gefühl für das wissenschaftliche Denken haben. Dafür fehlt einfach die systematische Ausbildung in wissenschaftlichen Forschungsmethoden. Mit dieser fehlenden Grundlage fällt natürlich das Schreiben gleich noch mal schwerer. Zumal, wenn es von Anfang an weitestgehend eigenständig erfolgen soll. Denn wie sollen Studierende einen wissenschaftlichen Text verfassen, wenn sie wenig Ahnung haben, wie Wissenschaft funktioniert und in erster Linie mit Lehrbüchern arbeiten?
Ein zentraler Punkt in unserer Veranstaltung musste es also sein, den Studierenden explizit ein grundlegendes Verständnis davon zu vermitteln, wie Wissenschaft ihr „Wissen“ konstruiert. Was es also bedeutet, wissenschaftlich zu denken. Dabei muss deutlich werden, dass wissenschaftliche Texte nicht „Wissen festschreiben“ und „Wahrheit vermitteln“. Stattdessen sind sie als Diskussionsbeiträge zu verstehen, die Argumente vorstellen und entwickeln. Auch, dass die Erwartungen der Leser*innen beim Verfassen wissenschaftlicher Texte einbezogen werden müssen, ist vielen Studierenden nicht klar. Denn gerade in der Schule haben sich ihre Texte meist an genau einen Adressaten gerichtet: die Lehrperson. Haus- und Abschlussarbeiten werden zwar auch meist maximal von zwei Personen gelesen, hier wird aber zumindest ein breites Fachpublikum imaginiert. Entsprechend müssen sowohl die expliziten als auch die impliziten Erwartungen dieses Publikums den Studierenden vermittelt werden.
Prozessbegleitung neben selbstverantwortlichem Arbeiten
Unser Ansatz, mit diesem Problem umzugehen, ist eben das wissenschaftliche Schreiben eng mit fachlichen Inhalten zu verzahnen. Dabei schreiben die Studierenden einen wissenschaftlichen Text, den wir aber nicht als klassische Hausarbeit verstehen, sondern als Projektarbeit. Das heißt, wir vergeben nicht einfach ein Thema und lassen die Studierenden dann damit laufen. Stattdessen beginnen wir im Seminar mit der Erarbeitung von Forschungsfragen und begleiten danach den ganzen Arbeits- und Denkprozess. Engmaschig, auf unterschiedlichen Ebenen und auch spontan an die Bedürfnisse und den Zeitplan der Studierenden angepasst. So vermischen sich inhaltliche Veranstaltungen und Termine zu Techniken wissenschaftlichen Arbeiten mit didaktisch konzipierten Zwischenprodukten und Feedback von den Dozent*innen und anderen Studierenden.
Cognitive Load und Scaffolding
Dabei geht es uns unter anderem um die Reduktion des cognitive load, also dem gleichzeitigen Fokus auf viele unterschiedliche Schwierigkeiten im Schreibprozess. Studierende fragen sich nicht nur „Wie schreibe ich das am besten?“, sondern auch „Wie geht eigentlich wissenschaftliche Sprache?“, „Habe ich diese Theorie richtig verstanden?“ oder „Wie ausführlich muss ich das eigentlich erklären?“. Und wenn es nur auf einer dieser Ebenen hakt, ist der Schreibprozess blockiert. Didaktisch kann es nun sinnvoll sein, diese Fragen in der Vermittlung zu trennen, ohne sie aber aus ihrem Kontext zu lösen und allzu isoliert zu betrachten.
Hier kommt dann unser zweites zentrales Konzept ins Spiel: das Scaffolding, also der Bau eines Gerüstes am Anfang des Lernprozesses, das dann nach und nach zurückgebaut werden kann. Ganz ähnlich wie die Stützräder am Fahrrad. So üben die Studierenden zum Beispiel das Argumentieren nicht an isolierten Übungen, sondern sie verfassen einen kurzen, bereits vorstrukturierten Text im inhaltlichen Kontext der Veranstaltung. In dieser Kurzargumentation sind Thema, Frage, Absatzanfänge und die Literatur bereits vorgegeben. Die Studierenden sollen dann in diesem engen Rahmen eine Position entwickeln und wissenschaftlich argumentieren.
Auf diese Weise üben sie, aus unterschiedlichen Quellen Argumente zusammenzutragen und diese zu nutzen, um eine eigene Position zu entwickeln. Ein Aspekt, der interessanterweise in der Schule im Normalfall viel zu kurz kommt. Dort werden in erster Linie allgemeine Antworten auf allgemeine Fragen erwartet und keine Arbeit am konkreten empirischen Beispiel. Mir ist das damals immerhin im Erdkunde-LK untergekommen, was ich im Nachhinein als sehr nützlich empfunden habe.
Insgesamt stieß unser Vortrag auf sehr positive Resonanz und jetzt bin ich dann wohl auch tatsächlich in dieser Fachcommunity angekommen.
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