Spätestens seit der Diskussion um die Doktorarbeiten zahlreicher Politiker sind fehlende Zitate ein allgemeines Gesprächsthema. Hier steht meist der Aspekt des ungekennzeichneten Kopierens und Plagiierens im Mittelpunkt. Dabei gibt es verschiedene Gründe, warum man auf seine Quellen verweisen sollte. Sie lassen sich sogar strategisch einsetzen.
Zitationen und Quellenangaben sind ein zentrales Element sauberer wissenschaftlicher Arbeit. Dabei geht es jedoch weniger darum, dass ihr an den richtigen Stellen im Literaturverzeichnis Punkte und Kommata setzt. Es geht vielmehr darum, nachvollziehbar zu machen, worauf sich eure eigenen Argumente beziehen und an welcher Stelle ihr auf die Arbeit anderer zurückgreift.
Wissenschaftliches Schreiben ist immer auch Dialog mit den bereits vorhandenen Texten. Mit Quellenangaben und Zitaten zeigt ihr, dass ihr einen Beitrag zu diesem Dialog leisten wollt und euch dazu mit den Argumenten und Ideen anderer auseinandergesetzt habt. Dabei gibt es sechs unterschiedliche Typen von Zitaten und Quellenverweisen.
1. “Die Idee ist nicht von mir.”
Wenn ihr in eurem Text ein Argument aus einem anderen Text übernehmt und in eure Arbeit einbaut, müsst ihr diese Übernahme auf jeden Fall kenntlich machen. Hier geht es schließlich darum, ehrlich zu zeigen, welche Ideen von euch selbst stammen und wo ihr euch bei anderen bedient habt.
Das gilt natürlich bei wörtlichen Übernahmen von Sätzen oder Satzfragmenten, aber auch bei der Zusammenfassung von Argumenten in eigenen Worten. Setzt in solchen Fällen immer(!) eine Quellenangabe, da ihr euch sonst eines Plagiats verdächtig macht.
Beispiele
Stewart definiert horizontale Ungleichheiten als „inequality between groups, defined by region/ethnicity/class/religion“ (Stewart 2000: 253). (Müller 2007, S. 8)
„To feel deprived of some object or opportunity (X), people who lack X must want X; see that another has X; feel entitled to (deserving of) X; think it is feasible to attain X; and not blame themselves (disclaim personal responsibility) for failing to have X now.“ (Crosby 1982: 21) (Müller 2007, S. 6)
2. “Das hat jemand ausführlich begründet / empirisch untersucht.”
In jeder wissenschaftlichen Arbeit solltet ihr Ergebnisse der bisherigen Forschung aufgreifen, verarbeiten und weiterentwickeln. Dabei könnt ihr nicht jedes Argument von Grund auf neu entwickeln, jede empirische Untersuchung selbst durchführen oder jeden Aspekt erschöpfend begründen.
Ein Verweis auf die Arbeit eines Anderen kann euch diese Arbeit an vielen Stellen abnehmen. So könnt ihr für eine empirische Aussage in eurer Arbeit einfach die Quelle angeben, wo diese Aussage erarbeitet wird. Für ein theoretisches Modell könnt ihr auf den Text verweisen, in dem der Originalautor dieses Schritt für Schritt entwickelt.
3. “Das hat tatsächlich jemand geschrieben/behauptet.”
In eurer Arbeit wollt ihr euch sicherlich auch immer mal wieder von den Arbeiten anderer Autorinnen abgrenzen und argumentieren, warum bestimmte Punkte nicht angemessen sind oder empirisch widerlegt wurden. Hier solltet ihr immer eine Quelle für diese Aussage angeben, von der ihr euch abgrenzen wollt.
Es ist verlockend, Argumente, die z.B. einer bestimmten Theorie zugeschrieben werden, ohne Überprüfung vereinfacht zusammenzufassen und dann zu widerlegen. Wenn ihr dabei aber keine Quelle angebt, macht ihr euch angreifbar, da Argumente oft unterschiedlich interpretiert werden können. Wenn ihr als Quelle einen grundlegenden Text dieser Theorie angeben könnt, sichert ihr eure Position bereits im Text ab.
4. “Die sind Teil der Diskussion”
Gerade in Prüfungsleistungen wie Hausarbeiten oder Abschlussarbeiten kommt es auch immer darauf an zu zeigen, dass man sich das Thema in einer gewissen Breite erschlossen hat. Daher bietet es sich an, Verweise auf andere Texte zu verarbeiten, die sich mit einem anderen Aspekt dieses Themas auseinander gesetzt haben.
Auf diese Weise könnt ihr euren Text in einem breiten Zusammenhang verorten und viel schärfer argumentieren. Ihr könnt euch bewusst von Ideen abgrenzen und andere Perspektiven weiter verfolgen. So zeigt ihr euren Prüfern, dass ihr euch wirklich in das Thema eingearbeitet habt
5. “Hier können Sie mehr darüber lesen.”
Manchmal kann man große Themen nur in einem Halbsatz anreißen – beispielsweise einen nur am Rande relevanten Forschungs- oder Theoriebereich. In so einem Fall könnt ihr es mit einem Verweis auf ein Übersichtswerk zu diesem Thema dem Leser ermöglichen, sich selbst ein detaillierteres Bild zu machen.
Diese Art des Zitats ist eine Dienstleistung für den Leser. Sollte dieser gerade den von euch kurz angerissenen Forschungsstrang interessant finden, weiß er gleich, wo er ausführlichere Informationen dazu findet.
6. “Das sehen andere auch so”
Manchmal wisst ihr, dass euer Dozent oder Prüfer eine bestimmte Meinung zu einem Punkt hat. Dann kann es vorkommen, dass ein widersprechendes Argument nicht so gut ankommt. Hier könnt ihr euch den Verweis auf andere Autoren zu nutze machen, die die eigene Ansicht unterstützen.
Nicht, weil man das Argument von ihnen übernommen hätte oder auf ihre ausführliche Begründung verweisen möchte (was zusätzlich natürlich auch möglich ist), sondern um das eigene Argument mit einem möglichst bekannten Namen zu unterstützen und glaubwürdiger zu machen.
Achtet dabei aber darauf, dass der Autor, auf den ihr euch bezieht, tatsächlich eure Argumentation stützt. Gebt ihr ihn nämlich falsch wieder, schadet das eurer Position.
Zitate geschickt einsetzen
Jeder der sechs hier genannten Gründe ist ausreichend, um einen bestimmten Verweis zu setzen. Dabei sind die Punkte 1 bis 3 nicht verhandelbar und müssen immer(!) berücksichtig werden, damit ihr die grundlegenden Kriterien guter wissenschaftlicher Arbeit erfüllen könnt. Punkte 4 und 5 sind eher ergänzende Techniken, um der eigenen Arbeit ein wenig mehr Würze zu verleihen. Nummer 6 hingegen ist ein kleiner Trick, der in erster Linie auf Prüfungssituationen ausgerichtet ist.
In eurer Arbeit braucht ihr nicht mit Literaturverweisen zu geizen, sondern könnt ruhig zeigen, welche Arbeit ihr in eure Literaturrecherche gesteckt habt. Schaut euch Texte, die ihr zitiert, aber auf jeden Fall vorher an, damit ihr wirklich wisst, ob ihr euch in dieser Weise darauf beziehen könnt!
Quellen
Müller, Nils (2014): Europäische Vergesellschaftung zwischen sozialen Feldern und sozialem Raum — eine Systematisierung. Pre-Prints der Forschergruppe “Europäische Vergesellschaftungsprozesse” 2014-06.
Müller, Nils (2014a): Die alltägliche Reproduktion nationaler Grenzen. Konstanz: UVK
Müller, Nils (2007): Demokratisierung als Katalysator für ethnische Konflikte – Der Fall Côte d’Ivoire. Hausarbeit für das Hauptseminar Interregionale Ungleichheiten und Konflikte. Otto-Friedrich-Universität Bamberg.
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