Pünktlich zum Ende des Jahres hatte ich in den letzen Tagen die Möglichkeit, einige der Brettspiel-Neuheiten dieses Jahres ausführlich probezuspielen. Fünf dieser Neuheiten möchte ich euch an dieser Stelle ganz besonders ans Herz legen. Vielleicht habt ihr ja noch den einen oder anderen Weihnachtsgutschein einzulösen:
Isle of Skye
Isle of Skye von Alexander Pfister und Andreas Pelikan ist ein Legespiel ähnlich wie Carcassonne, dass sich jedoch durch zwei sehr clevere Mechanismen von seinem Vorbild abhebt. So baut jeder grundsätzlich an seinem eigenen Gebiet, die Spieler kommen sich an dieser Stelle also nicht in die Quere. Dafür müssen sie in einem äußerst cleveren Biet-Mechanismus um die attraktivsten Teile wetteifern.
Auch die Wertungen sind etwas komplexer gestaltet: So gibt es verschiedene Plättchen, die jeweils eine andere Wertung enthalten – zum Beispiel „2 Punkte pro abgeschlossenem Gebirge“, „2 Punkte pro Rindvieh“ oder „5 Punkte für den Spieler mit den meisten Booten“. Zu Beginn des Spiels werden vier dieser Plättchen zufällig ausgewählt, die dann jeweils am Ende der fünf bis sechs Runden in unterschiedlichen Kombinationen gewertet.
Die Kombination dieser beiden innovativen Mechanismen mit dem klassischen Plättchen-Legen ergibt ein abwechslungsreiches Kennerspiel, das auch für weniger erfahrene Spieler zugänglich ist.
Orléans
Orléans von Reiner Stockhausen ist ein wenig komplexer als Isle of Skye und kratzt an der Grenze zum Expertenspiel, ist von den Regeln jedoch relativ einfach gebaut. Es gewinnt seine Komplexität dabei eher aus dem innovativen „Bag-Building“, dem Kampf um die gegen Ende knappen Ressourcen und der clever konstruierten Siegpunktwertung.
In dem Spiel hat jeder Mitspieler sein eigenes Tableau und seinen eigenen Beutel mit Plättchen. Aus diesem Beutel wird jede Runde eine bestimmte Anzahl an Plättchen gezogen, die dann in bestimmten Kombination auf dem Tableau eingesetzt werden und verschiedene Aktionen auslösen können: das Hinzufügen eines neuen Plättchens, den Erwerb von Ressourcen, den Ausbau des eigenen Ortes oder die Bewegung auf einer Landkarte. So gilt es am Anfang, sich ein starkes Set an Plättchen zusammenzustellen und den Ort geschickt auszubauen bis dann im Endspiel die Jagd auf Siegpunkte so richtig losgeht,
Das Spiel besticht durch eine extrem gelungene Verzahnung äußerst unterschiedlicher Mechanismen und die Abwandlung des klassischen Deck-Building in ein neuartiges Bag-Building.
La Granja
La Granja von Andreas Odendahl und Michael Keller ist ein äußerst thematisches Spiel, in dem jeder Spieler einen kleinen Bauernhof auf Mallorca bewirtschaftet. Dabei verfügt jeder Mitspieler über ein Tableau für den eigenen Bauernhof und in ein Set an Handkarten, mit denen er diesen Bauernhof weiterentwickeln und Waren auf den zentralen Markt transportieren kann. So können Felder für Weizen oder Wein angelegt werden oder ein Stallplatz für den schweinischen Nachwuchs gebaut werden.
Zudem werden über Würfel, die für alle Spieler gleichermaßen ausliegen, die in dieser Runde durchführbaren Aktionen festgelegt und nach und nach aktiviert. Neben dem Verdrängungsmechanismus auf dem Markt und einigen kleineren „Wettrennen“ ist dieser Würfel-Mechanismus der zentrale Interaktionspunkt dieses Spiels. Ansonsten werkelt jeder Spieler fleißig vor sich hin.
La Granja überzeugt durch eine sehr schöne und äußerst atmosphärische Gestaltung und thematisch äußerst passende Mechanismen. Die relativ komplexe Zugabfolge und viel Regel-Klein-Klein, das man im Kopf behalten muss, machen es jedoch zu einem Expertenspiel.
Mombasa
Mombasa von Alexander Pfister ist mit Sicherheit das Komplexitätsmonster aus dieser Aufzählung, auch wenn es auf den ersten Blick recht unscheinbar daherkommt. Thematisch hat sich der Autor mit der Kolonialisierung Afrikas dabei ein etwas schwieriges Thema ausgesucht, das Spiel ist jedoch so abstrakt, dass der inhaltliche Bezug sich hier jedoch – im Gegensatz gerade zu La Granja – in Grenzen hält.
Deck-Building und Worker-Placement sind seit einigen Jahren Standard bei Brettspielen, doch Mombasa gewinnt beiden Mechanismen einen neuen Twist ab. So werden die in einer Runde ausgespielten Karten auf drei unterschiedliche Ablagestapel gelegt, von denen jeder Spieler am Ende der Runde einen aufnehmen kann (ohne die gerade erst gespielte Karte). So muss man bereits in der Vorbereitung eines Zuges die Möglichkeiten im übernächsten Zug im Blick behalten und sich möglichst viele Optionen offenhalten. Das Worker Placement dient dann in erster Linie zur Aktivierung von Standard- und Sonderaktionen.
Dazu kommt, dass nicht einfach jeder Spieler eine der vier Handelskompanien übernimmt, sondern quasi als Investor Anteile an ihnen erwirbt und alle gleichzeitig ihre Ausbreitung über den Kontinent steuern. Zusammen mit zwei anderen Siegpunktequellen – der Diamanten- und der extra-komplexen Buch-Leiste – ergibt sich ein äußerst facettenreiches Spiel, das viel Vorausschau verlangt.
Mombasa ist demnach in erster Linie ein Spiel für Brettspiel-Nerds, die gerne die Köpfe rauchen lassen und sich auch längerfristig in ein Spiel hineinfuchsen.
Mysterium
Den Abschluss dieser Empfehlungsliste bildet mit Mysterium von Oleksandr Nevskiy und Oleg Sidorenko ein eher untypisches kooperatives Brettspiel. Anstelle eines Spielbretts, setzt Mysterium auf traumhaft schön illustrierte Karten, die Personen, Räume eines Herrenhauses und potentielle Mordwaffen darstellen. Aus diesen müssen die Mitspieler – wie bei Cluedo – den korrekten Täter, den Tatort und die Tatwaffe eines Mordes auswählen. Dabei erhalten sie Unterstützung von dem Geist des Opfers, der seit der Tat in dem Haus gefangen ist.
Mit der Hilfe von verwunschenen Visionskarten versucht der Geist, der die korrekte Lösung kennt, den anderen Mitspielern durch Bilder den richtigen Weg zu weisen. Ob also der Koch die Tat begangen hat oder der Schutzmann, ob sie auf der Veranda oder im Badezimmer verübt wurde und ob dabei die Schreibmaschine oder die Pistole genutzt wurde. So wird die Zahl der Möglichkeiten nach und nach reduziert, bis am Ende eine große Abschlussvision darüber entscheidet, ob die Mission von Erfolg gekrönt war und alle Spieler gemeinsam das Spiel gewinnen.
Mysterium ist also kein Spiel für strategische Denker, sondern sehr kommunikativ und intuitiv und mit der extrem gelungen und atmosphärischen Gestaltung ein absolutes Highlight.
Schreibe einen Kommentar